[voew-listserver] Vernichtende Expertenkritik am deutschen CO2-Emissionshandelssystem

  • From: "Thomas Loew" <Loew@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
  • To: VÖW-Listserver <voew-listserver@xxxxxxxxxxxxx>
  • Date: Mon, 8 Jan 2007 13:36:17 +0100

Liebe VÖW Mitglieder und Freunde,

Eine interessante Nachricht. Aber ich kann nicht sagen wie sie einzustufen
ist.
Berechtigte Kritik oder Ergebnis von Lobbyisten?

Beste Grüße

Thomas Loew
(VÖW Vorstand)


http://www.energienetz.de/index.php?itid=468&content_news_detail=5731&back_c
ont_id=4045

Deutscher Emissionshandel vierzigfach überteuert

Zwei prominente Energiewissenschaftler haben eine vernichtende Kritik des
deutschen Emissionshandelssystems veröffentlicht.[*]

(2. Januar 2007) - Die Strompreise fielen nach der Liberalisierung im Jahr
1998 für Großkunden um fast 50 Prozent, für Privatkunden um 25 Prozent und
sind seither ständig angestiegen. Die kostenlos erhaltenen
Emissionszertifikate haben die Stromkonzerne auf die Strompreise
aufgeschlagen. Denn andernfalls sei es wirtschaftlicher, die
Emissionszertifikate zu verkaufen und ein Kraftwerk nicht einzusetzen. Ein
solches Verhalten ist deshalb möglich, weil die Netzbetreiber den Strom zu
jedem Preis erwerben müssen, um die Stromnachfrage zu bedienen. Andere
Industriezweige können den Zertifikatpreis nicht an die Kunden weitergeben,
weil sich deren Kunden an anderen Märkten eindecken würden. Im Jahr 2005
hatten die Stromkunden dadurch höheren Strombeschaffungskosten von fast 5,7
Milliarden Euro. Diese Kosten werden sich in den Folgejahren nahezu
verdoppeln.

Emissionshandel: 1.100 Euro je Tonne CO2

Durch den Emissionshandel werden die CO2-Emissionen in Deutschland um fünf
Millionen Tonnen vermindert. Für jede Tonne verminderter CO2-Emissionen
zahlen Verbraucher im Jahr 2005 1.100 Euro und in den Jahren 2007 und 2008
sogar über 2.000 Euro. Zum Vergleich: Der weltweite CO2-Ausstoß wächst
gleichzeitig jährlich um eine Milliarde Tonnen, also um das 200-fache an.

EEG: 57 Euro je Tonne CO2

Auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien kostet Geld und vermindert
CO2-Emissionen. Im Jahr 2005 wurden durch die Förderung erneuerbarer
Energien nach dem EEG 41 Millionen Tonnen CO2 eingespart, also achtmal mehr
als durch den CO2-Emissionshandel. Die Kosten dafür lagen bei 2,7 Milliarden
Euro (Förderung von 9,5 Ct/kWh abzüglich Wert des erzeugten Strom von 4,4
Ct/kWh). Daraus ergeben sich Kosten für jede verminderte Tonne CO2 von 57
Euro. Das ist ein Zwanzigstel des Betrages, den eine Tonne
Emissionsminderung durch den Emissionshandel kostet.

Stromerzeugungskosten überhöht

Im Strommarkt gibt es, so Schlemmermeier und Schwintowski, ein einzigartiges
Ungleichgewicht zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Die Marktmacht der
Erzeuger bei der Preisgestaltung ist genauso groß, wie die Ohnmacht der
Konsumenten, die den Strom kaufen müssen. Die Folgen sind, dass die Erzeuger
im Rahmen eines gigantischen Umverteilungsprozesses in absehbarer Zukunft
einen Gewinnzuwachs von rund zehn Milliarden Euro haben werden, dem beim
Konsumenten ein gleich hoher Kostenzuwachs gegenübersteht.

Und: "Obwohl der deutsche Kraftwerkspark weitgehend abgeschrieben ist,
erwirtschaftet ein Steinkohlekraftwerk bereits heute rund 80 Prozent der
Vollkosten eines neuen Steinkohlekraftwerks. Die Ursache hierfür ist die
Marktmacht der vier großen deutschen Stromproduzenten. Mit einem Marktanteil
von zusammen knapp 90 Prozent sind sie in der Lage, nicht nur die Kosten des
abgeschriebenen Kraftwerks zu verdienen, sondern zudem auch noch bereits
heute die Kapitalkosten eines neuen Steinkohlekraftwerks. Die hohen
Strompreise haben also zwei kumulierende Ursachen: zum einen die
unentgeltliche Zuteilung der CO2-Zertifikate und die speziellen
Marktbedingungen des Produkts Strom und zum anderen die Marktmacht der vier
großen deutschen Stromerzeuger."

Rechtlich unvereinbar mit Effizienzprinzip

Das Emissionshandelssystem setzt in Deutschland eine entsprechende
EU-Richtlinie um. Wir könnten jedoch die von der EU geforderten
CO2-Einsparungen von jährlich fünf Millionen Tonnen mit einem Aufwand von
250 Millionen Euro erreichen, bezahlen aber für das Emissionshandelssystem
zwischen fünf und zehn Milliarden Euro. Aus dem Wirtschaftlichkeits- und
Wirksamkeitsgebot der europäischen Verfassung folgt, dass kein Staat zu
einer Maßnahme gezwungen werden kann, die dieser Mitgliedsstaat auf anderem
Wege schon erfüllt hat oder mit wesentlich geringerem Aufwand erfüllen
könnte.

Emissionshandel rechtswidrig und nichtig

Bei der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten handelt es sich
zudem um staatliche Beihilfen im Sinne des europäischen Rechts. Diese
Beihilfen sind bisher nicht notifiziert nach Art 88 EG und damit nichtig ?
folglich also auch zurückzuzahlen. Eine Notifizierung kommt nicht in
Betracht, weil das Ausmaß der Beihilfe mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip
kollidiert. "Ein Handelssystem darf nicht praktiziert werden, wenn es ein
alternatives System gibt, das 20 bis 40 mal billiger ist. Folglich spricht
alles dafür, dass das Emissionshandelssystem beihilferechtswidrig und somit
nichtig ist."

Netze gehören in Verbraucherhand

Nach der "Klubgütertheorie" des Nobelpreisträgers Buchanan sollte derjenige
Eigentümer eines Netzes sein, der das größte Interesse an niedrigen
Netzentgelten und funktionierendem Wettbewerb hat. Das sind im Regelfall die
Verbraucher. Ihnen müsste man also die Eigentumsrechte am Netz zuweisen, so
Schlemmermeier und Schwintowski.

Entflechtungen ermöglichen

Es wäre auch sinnvoll, die Marktmacht der vier großen Stromkonzerne
abzubauen, indem diese zur Veräußerung von Kraftwerken gezwungen werden. In
den USA kann der Staat derartige Entflechtungen anordnen. Auch in
Deutschland ist es unumgänglich, ein entsprechendes auf die Stromwirtschaft
unwendbares Instrumentarium zu schaffen (wie bspw. durch die Novellierung
des Kartellrechtes).

Abmahnung möglich

Nach Ansicht der Autoren ist die Einpreisung von kostenlosen
Emissionszertifikaten ein Verstoß gegen die Regeln des Wettbewerbs und kann
abgemahnt werden. Die Unternehmen könnten auf Schadensersatz in Anspruch
genommen werden. Das Bundeskartellamt führt derzeit ein Verfahren durch. Das
Bundesamt für Finanzdienstleistungen könnte wegen Verstoß gegen das
Wertpapierhandelsgesetz tätig werden.

Emissionshandel aussetzen

Die Studie empfiehlt, bis zum Abschluss der Missbrauchsverfahren durch das
Bundeskartellamt den Emissionshandel auszusetzen. Das CO2-Einsparziel würde
durch das EEG erreicht. Da dann die Emissionszertifkate nicht mehr handelbar
wären, stellen sie keine Kosten mehr dar und die Strompreise müssten
entsprechend sinken. Wäre das nicht der Fall, dann müsste das
Bundeskartellamt erst recht und massivst eingreifen. Auch die EU-Kommission
könnte gegen das Viereroligopol vorgehen, weil hier ein europaweit
abgestimmter Missbrauch vorliegen könnte. Außerdem müsste die Bundesrepublik
die bisher entstandenen Windfallprofits als unrechtmäßig gewährte Beihilfe
zurückfordern. Tut sie das nicht, so verletzt sie den Europäischen Vertrag ?
die Kommission kann sodann ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen.


[*] "Das deutsche Handelssystem für Emissionszertifikate: Rechtswidrig?"
Zeitschrift für neues Energierecht, Heft 10/3 2006, S. 195-199. [PDF, 330
kB]
http://www.lbd.de/de/pdf/presse/LBD_Presse_Handelssystem%20Emissionszertifik
ate_ZNER.pdf

Der eine Autor Ben Schlemmermeier ist Geschäftsführer der
LBD-Beratungsgesellschaft Berlin, der andere Prof. Dr. Hans-Peter
Schwintowski ist Direktor des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht an
der Humboldt-Universität Berlin.


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http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Strom/Wettbewerb/site__1680
/content_news_detail__5728/back_cont_id__1131/

Netzverstaatlichung ist konsequent

(2. Januar 2007) - Prof. Ulrich Ehricke von der Universität Köln referierte
auf der Jahrestagung des Instituts für Energierecht am 4. Dezember 2006 in
Berlin über die EU-Richtlinien zur Versorgungssicherheit. Durch die
Aufspaltung der Netze in verschiedene Gesellschaften fehle es derzeit im
deutschen Stromnetz an der früher vorhandenen Gesamtverantwortung. Es gebe
dadurch keine Reserven mehr im Netz und der Produktion.

Das neue Energiewirtschaftsgesetz nehme die Unternehmen nur sehr schwach in
die Verantwortung für die Netzsicherheit. "Die Versorgungssicherheit ist auf
dem Altar des Wettbewerbs geopfert worden". Investitionen ließen sich
grundsätzlich nicht vom Staat erzwingen. Der Staat könnte jedoch gesetzlich
bestimmte Reserven vorschreiben. Eine Alternative dazu sind strenge Regeln
für den Schadensersatz bei Netzstörungen und eine Garantiehaftung.

Wer auf Sicherheit nicht verzichten wolle, müsse die Netze verstaatlichen.
Der Markt kann grundsätzlich keine Sicherheit herstellen. Analog zu den
Bundesautobahnen und Bundeswasserstraßen wären konsequenterweise auch
staatliche Energienetze denkbar.


Prof. Ehricke ist Direktor des Kölner Instituts für Energierecht, Richter am
OLG Düsseldorf und Lehrstuhlinhaber für Europarecht.


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